Die alte Kirche (um 1200)
Etwa um 1200 wird auf dem Gratfelsen die erste Kirche erbaut, die heute noch als nördliches Seitenschiff der Stadtkirche als sogenannte „alte Kirche“ vorhanden ist. Ebenso stammt der untere Teil des Kirchturms aus jener Zeit.
Zur selben Zeit entsteht daneben eine Burganlage, etwa an der Westseite des heutigen Schlosses. Ebenfalls in diesem Jahrhundert verlassen die Bewohner Alt-Schwaigerns ihren Siedlungsraum bei der Kapelle und siedeln sich unterhalb von Burg und Kirche an.
Es war eine sehr schwierige Arbeit, die Grundlagen der „alten Kirche“ zu erforschen. Zu Beginn dieses Jahrtausends haben sich aber fünf Personen zum Ziel gesetzt, Licht in das Dunkel dieser Kirche zu bringen. Inge Buggle, Pfarrer Kohler-Schunk, Erwin Steinle, Gerhard Wagner und Rudi Häbich sei ein herzlicher Dank für diese Arbeit ausgesprochen.
Die grundsätzlich übereinstimmenden Bewertungen schrieb Rudi Häbich nieder. Diese sollen hier auszugsweise widergegeben werden:
Die Bedeutung der Kirche in vorreformatorischer Zeit
Jede Ortskirche hat die Funktion, als räumlicher Mittelpunkt des Gemeindelebens zu dienen. Für viele Dorfkirchen ist dies Aufgabe genug. Nicht so in Schwaigern, das als zentraler Ort im Leintal gilt. Diese Rolle geht zurück bis in die fränkische Zeit mit reichen Schenkungen an das karolingische Kloster Lorsch, das umfassenden Adelsbesitz belegt. Markt- und Stadtrecht kommen für die „alte Kirche“ schon fast zu spät, um sich in repräsentativen Bauformen niederzuschlagen. Dennoch war unsere Johanniskirche keine einfache Dorfkirche, sondern in der letzten Phase vor dem Sporer-Umbau bereits geistlicher Mittelpunkt einer Marktgemeinde und dann auch einer Kleinstadt.
Ihre zweite Auszeichnung ist ihre Rolle als Patronatskirche der Ortsherrschaft, die über Stiftungen für den Bau selbst udn seine künstlerische Ausstattung sorgte, schließlich war die Schwaigerner Kirche Grablege des Geschlechts derer von Neipperg.
Ab 1360 bestimmte das Bistum Worms unsere Kirche als Sitz eines Ruralkapitels (vergleichbar mit einem heutigen Dekanat). Der Sprengel erstreckte sich über 36 Orte westlich des Neckars von Wimpfen – Rappenau – Hilsbach – Kleingartach bis zur Stromberghöhe, wobei sich ab 1476 die Zabergäu-Orte nach Brackenheim orientierten. Nach Zwischenlösungen mit einem Doppelsitz trug Brackenheim aber den Sieg davon. Gleichzeitig war die Schwelle zur Reformationszeit erreicht und somit das Ende der altgläubigen Kirchenorganisation.
Der Ruralkapitelsitz war die höchste Auszeichnung für unsere „alte Kirche“. Oftmals hatten die Priester der 36 Orte Präsenzpflicht bei kirchlichen Festen und Zusammenkünften in Schwaigern. Ein Erzpriester stand dem Ruralkapitel vor. Weil er gleichzeitig Dom- oder Stifherrenaufgaben innehatte und nicht dauernd vor Ort sein konnte, vertrat ihn der Präsenzpriester in Schwaigern. Bis zu 6 ortliche „Pfründner“, die auf ihren ernährenden Hofgütern in der benachbarten Pfarrgasse saßen, zelebrierten gestiftete Messen an ihren jeweiligen Altären und halfen beim Gottesdienst aus.
Die romanische Kirche
Der Turm, der mit seiner unteren Hälfte immer der „alten Kirche“ zugeordnet war, ist der einzige wirklich romanische Bauteil der Gesamtkirche, der auf den heutigen Tag überkommen ist. Wohl durch Staunässe bedingt, musste die Nordwand – vielleicht mehrfach – repariert und ausgebessert werden.Dabei wurden die romanischen, auf fünf Seiten behauenen Steine wiederverwendet, gleichzeitig die aktuellen und größeren gotischen Maßwerkfenster samt der Nordtür 1474 eingesetzt und die Mauer an der Traufe mit dem alten Rundbogenfries abgeschlossen.
Weil die Nordwand mit altem Material wieder aufgeführt wurde, gibt es innen keine Fresken mehr, die vorhanden gewesen sein müssen, weil man unter dem Dach noch einzelne wiederverwendete Steine mit Farbspuren finden kann.
Die Westwand der „alten Kirche“ mit ihren gotischen Öffnungen könnte ebenfalls 1474 neu aufgeführt worden sein.
Der romanische Chorturm – Wahrzeichen und Geheimnisträger
Neben der qualitätvolle Mauertechnik und der hochwertigen Schmuckformen sind vor allem die gewaltigen Ausmaße zu beachten. Zum einen die 8 x 8 Meter große Grundfläche sowie – noch erstaunlicher – die Mauerdicke von 1,70 m. Das sind Abmessungen von Burgtürmen. Zu erwarten wäre allerdings in diesem Fall kein glattes Mauerwerk sondern Buckelquader. Dennoch lässt sich die Frage nicht verdrängen, ob der Turm nicht als eine Art Bergfried Verteidigungsaufgaben für den direkt nebenan liegenden Herrensitz oder als „letzte Zuflucht“ der Gemeinde mit zu übernehmen hatte. In diesem Zusammenhang interessant ist ein vorgefundener Hocheinstieg in 7 m Höhe auf der Westseite, wie wir solche nur von Burgen her kennen. Dieser Turmeinstieg ist heute vermauert und etwa zur Hälfte einer späteren Chorbogenerhöhung zum Opfer gefallen. Der Vollständigkeit wegen seien aus anderen Bauphasen noch drei weitere Turmeinstiege erwähnt: der Kurioseste durch das östliche Chorfenster im Turmchor (die zuführende Außentreppe wurde 1910 entfernt), ein zweiter vermauerter Zugang auf der Südseite liegt heute im Bereich des neuen Chores und der dritte, heute einzig zu begehende, ist ein grober Durchbruch aus dem Dachraum ins zweite Turmgeschoss über der eingezogenen Holzdecke.
Ausblick
Eingedenk der historischen Bedeutung der „alten Kirche“ mag ihr Einbau in das prächtige Bauwerk von Bernhard Sporer als Verstümmelung erscheinen. Dazu beigetragen hatte der zuletzt wenig gepflegte, düstere Zustand gerade des alten Teils der Kirche. Der Turmchor war Durchgang zur Toilette und zum Abstellraum.
Seit der abgeschlossenen umfassenden Renovierung mag man sich auch in der „alten Kirche“ wieder gerne aufhalten, zumal seit der Wiederöffnung des Bogens zur Barbarakapelle. Sie schafft Weite und Licht unter die niedrige Decke. Ein Schmuckstück ist der Turmchor geworden. Seine raffinierte Beleuchtung und die Wiederaufstellung der Johannes-Altarblätter am Chorende haben einen ganz besonderen Raum geschaffen. Wenn man dann in einer Stillen Stunde nach obern blickt, die Spuren einer alten Zeit wieder entdeckt, spürt man den Hauch der Geschichte und die Achtung vor der gestalterischen Leistung unserer Vorfahren.